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Spirituelle Wende in Psychiatrie und Medizin?
Von J. Boesch, http://www.jakobboesch.ch; Forum-Artikel Basler Zeitung
• Tabu Religiosität
• Sünden der modernen Psychiatrie
• Einheit von Körper, Seele und Geiste
Die US-Amerikaner/innen sind ein besonders religiöses Volk. Je nach Untersuchung glauben
bis 95 % an Gott und der überwiegende Teil bestätigt, täglich bis wöchentlich zu beten. Von
den Psychiater/innen glauben diesen Forschungen zufolge nur gerade 43 % an ein göttliches
Wesen. Diese weltanschauliche Diskrepanz zwischen den „Seelenärzten“ und den
Hilfesuchenden führt zu einem spirituellen Notstand. Der Präsident der amerikanischen
Psychiatergesellschaft redete an der Jahresversammlung 1999 seinen Kolleg-/innen ins
Gewissen, die spirituellen Bedürfnisse ihrer Patient-/innen ernst zu nehmen.
Tabu Religiosität
Die Hälfte von befragten Spitalpatient-/innen äusserten den Wunsch, ihre Ärzt/-innen
möchten am Krankenbett mit ihnen beten. Solche Ergebnisse bringen die Ärzteschaft in
Verlegenheit, wird doch an einem der grossen Tabus gerüttelt. Anders als die Sexualität
haben Spiritualität und Religiosität der Enttabuisierung bis heute stand gehalten. Neuerdings
jedoch erscheinen in den renommierten Medizin-Fachzeitschriften Arbeiten, die sich mit dem
Thema der spirituellen Bedürfnisse gesunder und kranker Menschen befassen und den
Zusammenhang zwischen religiösen Überzeugungen und Gesundheit untersuchen. Die Zahl
entsprechender wissenschaftlicher Publikationen nimmt deutlich zu. Mehrere hundert
Arbeiten zum Zusammenhang zwischen spirituellen Überzeugungen / religiöser Praxis und
Gesundheit wurden veröffentlicht und kritisch analysiert. Der grösste Teil dieser Arbeiten
bestätigt, dass religiös-spirituelle Menschen über bessere körperliche und seelische
Gesundheit verfügen; wenige Prozent der Studien haben bei religiösen Menschen mehr
Gesundheitsprobleme gefunden. Die wissenschaftliche Diskussion ist eröffnet: das grosse
Tabu Religiosität / Spiritualität in der Medizin beginnt zu wanken.
Sünden der modernen Psychiatrie
In der international renommierten Fachzeitschrift: „Current Opinion in Psychiatry“ vom
November 2000 wird von einem zehnköpfigen internationalen Expertenteam das
Auseinanderklaffen zwischen den spirituellen Bedürfnissen seelisch und körperlich kranker
Menschen und der weltanschaulichen Doktrin in der Psychiatrie diskutiert. Das Dogma, den
menschlichen Körper nur als mechanisches Produkt der Evolution zu sehen, sei in der
körperorientierten Medizin noch eher aufrecht zu erhalten, während in der Psychiatrie eine
enge Bindung an die spirituellen und kulturellen Werte unabdingbar sei. Das spirituelle
Wesen des Menschen sei untrennbar mit seiner sprachlichen und kulturellen Entwicklung
verknüpft und spiele für das menschliche Anpassungs- und Bewältigungsvermögen eine
wichtige Rolle, präge auch Form und Erscheinungen der psychischen Störungen und könne
für das Verständnis nicht ausgeklammert werden. In allen traditionellen medizinischen
Systemen sei die spirituelle Dimension im Verständnis von Krankheit und Heilung integriert.
Die heutige internationale Psychiatrie mit ihrer alleinigen Abstützung auf die Neurobiologie
und die Psychopharmakologie und einer rein technischen Ausrichtung von
Verhaltensbeeinflussung stelle innerhalb der kulturellen Traditionen rund um die Welt eine
Anomalie dar.
Speziell werden die Diagnosesysteme (DSM IV und ICD 10) kritisiert, die zwar eine immer
genauere Einteilung von Symptomen ermöglichen, jedoch den Sinn und das Verständnis von
Störungen vernachlässigen. Diese psychiatrischen Diagnosesysteme würden die
essenziellen Komponenten des Menschen ausschliessen wie Weltanschauung,
Menschenbild, Verständnis der Gefühle und die kosmologisch-spirituelle Orientierung. Diese
Entwertung der wesentlichen kulturellen, religiösen und spirituellen Bedeutungen als
integraler Teil psychiatrischen Verstehens wird in Form von „Sieben Sünden“ der modernen
Psychiatrie gebrandmarkt.
Einheit von Körper, Seele und Geiste
Trotz phänomenaler Fortschritte der reinen Körpermedizin sei deren Ansehen in den Augen
der Benützer dramatisch am schwinden, während das öffentliche Interesse an geistigen
Themen und Heilungsmöglichkeiten konstant zunehme. Phänomene wie Hellsehen,
Telepathie, Handauflegen usw. würden von der offiziellen Wissenschaft mit Spott behandelt
und ohne Prüfung als Gegenstände seriöser Forschung abgelehnt. Bewusstseinszuständen
wie Ekstase, Meditation, Erleuchtung würde man sich nur mit grösstem Widerstand nähern.
Diese a priori Ablehnung verrate bei den Wissenschaftler/innen eine emotional bedingte
Einseitigkeit, wie sie in der sogenannt objektiven Wissenschaft nicht vorkommen dürfte.
Ähnlich äussert sich der Harvard-Dozent Eugene Taylor in der November-Ausgabe von
„Alternative Therapies“: Die Psychologie / Psychiatrie habe in der Medizin einen niedrigen
Status und habe sich nicht wirklich etablieren können. Akzeptiert seien nur die
Psychopharmakologie, die kognitive Verhaltenstherapie und die Psychoanalyse. Dies habe
nichts zu tun mit den psychospirituellen Beziehungen, wie sie in den nicht-westlichen
Heilungstraditionen verankert seien. Es gebe aber eine Art psychologische Schattenkultur, in
der spirituelle Ansätze durchaus enthalten seien, wie die existenzial-humanistischen
Richtungen, die Jung‘sche und die Transpersonale Psychologie. Gewisse
Wissenschaftler/innen wollten jetzt einzelne Elemente der „Complementary and Alternative
Medicine“ (= CAM) in das westliche wissenschaftliche System integrieren, allerdings ohne
den psychospirituellen Kontext. Die Anwender von CAM jedoch würden die Grenzen
zwischen Spiritualität, Psychologie und Medizin als voneinander nicht-trennbare Teile
verschwinden lassen. CAM werde das erreichen, was die westliche Wissenschaft nicht
schaffte: die Wiedereinführung der spirituellen Psychologie in die Medizin.
Forschungsprojekte, dieses Jahr ist es bereits die 4fache Zahl“. Gezielt sollen bestimmte
Bereiche unter dem Begriff „Frontier Medicine Research“ gefördert werden, nämlich:
Bioelektromagnetische Therapie, geistig-energetisches Heilen (Geistheilen), Homöopathie
und Gebetsheilen.
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